Innenarchitektur + Architektur
Berschneider + Berschneider

NEUBAU WOHN- UND GESCHÄFTSHAUS GERBERHÖFE NEUMARKT I.D.OPF.

Bauherr*in: Jura Projektbau GmbH
Standort: Obere Marktstr. 35/36, 92318 Neumarkt i.d.OPf.
Fertigstellung: 10/2020
Fotos: Andreas Schmid, © Berschneider + Berschneider GmbH

Die Adressen „Oberer Markt“ sowie „Kastengasse“ liegen mitten in der Altstadt der oberpfälzischen Kreisstadt Neumarkt i.d.OPf. Historisch befand sich auf diesem Areal eine Gerberei – die sogenannten „Gerberhöfe“. Bis in die 1980er-Jahre wurden dort Lederwaren verarbeitet. Für ein Gebiet in innerstädtischer Lage typisch, vollzogen sich auch auf diesem Baugebiet im Laufe der Zeit einige Metamorphosen: Im Zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude dort vollständig zerstört, 1947 das Gebäude am Oberen Markt mit Treppengiebel nach historischen Ursprung nach den Plänen des Architekten Hanns Meier für den Bauherren Hans Neumüller wiederaufgebaut. In den 1970er-Jahren wurde zugunsten eines attraktiveren Einzelhandels das Erdgeschoss umgebaut und mit großen Schaufensterflächen versehen, die das Fassadenbild am Oberen Markt stark veränderten. Nach Osten schloss ein Gebäuderiegel das Areal zur Kastengasse hin ab. Dort befanden sich früher Lager und Arbeitsräume der Gerberei, die teils als Wohnungen genutzt wurden, zum Teil aber auch lange leer standen. 2017 entschied man sich zum Abbruch aller Bestandsgebäude auf diesem Areal, um attraktive Eigentumswohnungen im Herzen der Altstadt mit ansprechenden Grundrissen, Balkonen zum ruhigen Innenhof sowie einer barrierefreien Erschließung.

Gestalterisches und städtebauliches Konzept

Die Qualität des Entwurfs von Berschneider + Berschneider Architekten BDA + Innenarchitekten liegt zum einen in der Wertschätzung der Typologie der Neumarkter Altstadtbebauung, zum anderen vereint der Entwurf diese Wertschätzung der Historie mit Qualitäten und Anforderungen des modernen, zukunftsfähigen Wohnens mit hohen Tageslichteinfällen, attraktiven Außenbereichen und vielem mehr: Die den Straßen zugewandten Ansichten wurden altstadtgerecht-urban gestaltet mit Farb- und Formensprache der Umgebung. Dem hinzu fügten die Architekten einen Innenhof mit Grünflächen im EG sowie auf den eingeschossigen Dachflächen und die Fassaden erhielten attraktive, großzügige Öffnungen, durch die maximal viel Tageslicht in die Wohnräume eindringen kann. Außerdem ist jeder Wohnung ein Balkon als Außenbereich zugeteilt.

„Oberer Markt“: Wohnungen und Ladenflächen

Die Gestaltung der Fassade am Oberen Markt orientiert sich stark an der Sprache des Nachkriegsbaus des Architekten Hanns Meier, der das „Haus Neumüller“ an diesem Ort realisiert hatte. Ziel und Grundsatz von Berschneider + Berschneider Architekten BDA + Innenarchitekten war derselbe, den bereits damals Meier beim Wiederaufbau verfolgte: das Stadtbild der ganzen Marktstraße mit historischen Giebeln zu erhalten. Leider war es aufgrund der prekären Bausubstanz und Statik nicht möglich, dieses Ziel aufrecht zu erhalten. Auch Anforderungen an Barrierefreiheit und Raumprogramm war mit dem Bestand nicht zu erfüllen, sodass man sich für einen Abbruch und einen Wiederaufbau im historischen Bild mit Treppengiebel, denselben Fensterformaten und -anordnungen entschied. Sogar die beiden Zunft- und Familienwappen der historischen Fassade sowie die Wetterfahne mit Jahreszahl wurden aufgehoben, teils saniert und wieder montiert. Der Erker dagegen – ein wesentliches Element dieser Fassade – wurde neu interpretiert als Marken- und Wahrzeichen des Neubaus. Das Fassadenbild von 2020 reagiert trotz der Gestaltungssatzung für die Altstadt auch auf die zeitgemäßen Anforderungen moderner Läden im EG mit großen Schaufensteröffnungen und attraktiven Ladenflächen in der gesamten Gebäudetiefe.

„Kastengasse“: Neubau Wohnungen

Analog zum Konzept der altstadtgerechten Fassadengestaltung wurde auch die Fassade der Kastengasse mit Gauben, Satteldach mit Biberschwanzdeckung und kleinen Erker-Balkonen realisiert. Wesentliches Gestaltungsmerkmal dieser Fassade ist ein markanter Erker – Zitat und Reminiszenz an Bestandsgebäude –, der nach außen den Bereich des Treppenhauses abzeichnet. Die Farben orientieren sich an den altstadttypischen Pastelltönen. Die Wohnungen in der Kastengasse öffnen sich mit großen Fenstern zum attraktiven und ruhigen begrünten Innenhof. Und auch zeitgemäße Anforderungen an Stellplätze wurden durch eine Tiefgarage unter dem Anwesen erfüllt, die mit einem platzsparenden PKW-Aufzug erschlossen ist. Am Standort „Gerberhöfe Neumarkt“ entstand mit 26 neuen Wohneinheiten ein attraktiver Mix aus kleinen und großen Wohnungen mitten in der Altstadt.